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Zu viel des Guten
Ein 50-jähriger Mann meldet sich in der Notaufnahme, weil er in der Nacht starkes Nasenbluten erlitten hat, das sich nur schwer, wenn überhaupt, stoppen lässt. Außerdem bluten Rasierschnitte viel länger, als er es gewohnt ist. Seit etwa zwei Wochen fühlt er sich unwohl und ist vor allem sehr müde. Wenn er eine Treppe hinaufgeht, gerät er leicht außer Atem. Er leidet nicht unter Nachtschweiß, Fieber oder Gewichtsverlust.
Es wurde eine CT-Untersuchung durchgeführt, bei der mehrere leicht vergrößerte Lymphknoten im Hals, in der Brust und im Bauchraum festgestellt wurden. Die Labortestergebnisse zeigen eine normozytäre Anämie, Thrombopenie und eine schwere Leukozytose. Der LDH-Wert ist erhöht. Es gibt keine Anzeichen für eine Leberschädigung oder Nierenfunktionsstörung.
ParameterEHSRef.Einheiten
Hämoglobin
3.1
8-10.5mmol/L
MCV
91
83-100fL
Thrombozyt
8
150-400⋅109/L
Leukozyten
134
4-10⋅109/L
Blasten
125
0⋅109/L
Neutrophile
0.8
1.5-6.5⋅109/L
Lymphozyten
8.1
1-3.5⋅109/L
Monozyten
0
0.2-0.9⋅109/L
Eosinophile
0
0-0.4⋅109/L
Basophile
0
0-0.1⋅109/L
AST
33
<35U/L
ALT
34
<45U/L
LDH
564
<248U/L
Kreatinin
88
65-115µmol/L
Ferritin
844
30-300µg/L
Folat
34
8.8-60nmol/L
Vitamin B12
331
130-500pmol/L
CRP
24
<8mg/L
Albumin
39
32-48g/L
TPZ
11.6
9-12sec
PTT
30
24-33sec
Die mikroskopische Differenzierung der Leukozyten zeigt hauptsächlich Lymphoblasten (~90 %). Zur weiteren Klassifizierung der Blasten wird eine Immunphänotypisierung durchgeführt.
Lymphoblasten im peripheren Blut. Mehr als 20 % Blasten im Blut reichen für die Diagnose einer akuten Leukämie aus. Blastenzellen sind aufgrund ihrer Unreife oft zerbrechlich, was dazu führen kann, dass sie im Körper zerfallen. Dies erklärt den hohen LDH-Wert.
Der Patient erhielt 3 Einheiten Erythrozyten und 1 Einheit Thrombozyten, um seine Defizite auszugleichen. Die Blutungen des Mannes wurden durch einen Mangel an Thrombozyten und nicht an Gerinnungsfaktoren erklärt, wie die normalen TPZ und PTT zeigen. Die Neutropenie birgt ein hohes Risiko einer bakteriellen Infektion, weshalb prophylaktisch Antibiotika verabreicht wurden.
Eine akute Leukämie ist lebensbedrohlich, weil die sich übermäßig vermehrenden Zellen (in diesem Fall die Lymphozyten) die Produktion anderer Zellen im Knochenmark unterdrücken. Dies kann zu einer Anämie mit dem Risiko einer Hypoxie und/oder einer Thrombozytopenie mit dem Risiko von Blutungen führen. Eine geringe Anzahl neutrophiler Granulozyten und Monozyten kann zu schweren Infektionen führen. Sehr hohe Leukozytenzahlen können zu Verstopfungen der Blutgefäße (Leukostase) und damit zu ischämischem und hypoxischem Gewebe führen.
Die Immunphänotypisierung ergab, dass eine große Population von B-Lymphozyten (~90% aller Lymphozyten) mit den folgenden Markern vorhanden ist: CD19+, CD34+, TdT+, CD10+, cycIgM- und CD20-. Seine Behandlung wird mit Dexamethason und Blinatumomab begonnen, einem Antikörper, der dafür sorgt, dass die B-Zellen vom Immunsystem abgebaut werden. Obwohl Rituximab oft die erste Wahl für die Behandlung einer B-ALL ist (CD20-Antikörper), macht es bei diesem Patienten nicht viel Sinn, da viele der bösartigen Zellen kein CD20 exprimieren.
Die Therapie kann zu einer massiven Zerstörung von bösartigen Zellen führen. Der schnelle Abbau einer großen Anzahl von Zellen kann eine Hyperkaliämie verursachen, die eine regelmäßige Überwachung erfordert (Tumorlyse).
Eine allogene Stammzelltransplantation wird in Betracht gezogen, sobald der Patient stabil ist.
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