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Ein blasser Patient
Ein 51-jähriger Mann mit bestehenden neurologischen Problemen (u. a. Epilepsie) stellte sich am frühen Morgen in der Notaufnahme vor. Er hatte sich seit dem Vorabend unwohl gefühlt und war früh von der Arbeit nach Hause gegangen. Seine Reaktionsfähigkeit schwankte zwischen angemessen und langsam, und er war nicht in der Lage, Fragen richtig zu beantworten.
Jetzt hat er Fieber (40° C), eine schnelle Atmung und eine schlechte Sättigung von 85 % bei Raumluft. Der Mann zeigt die klassischen Symptome einer Sepsis und erhielt sofort eine Einzeldosis Antibiotika. Erste Laboruntersuchungen wurden angefordert. Diese ergaben eine Panzytopenie (verminderte Anzahl von Erythrozyten, Thrombozyten und weißen Blutkörperchen) und eine schwerwiegende Störung der Blutgerinnung.
ParameterEHSRef.Einheiten
Hämoglobin
4.5
8-10.5mmol/L
MCV
98
83-100fL
Erythrozyten
2.2
4.4-6⋅1012/L
Thrombozyt
12
150-400⋅109/L
Leukozyten
1.2
4-10⋅109/L
Blasten
0
0⋅109/L
Promyelozyten
0.7
0⋅109/L
Myelozyten
0.1
0⋅109/L
Metamyelozyten
0
0⋅109/L
Stäbe
0
0-0.1⋅109/L
Segmenten
0.1
1.5-6.5⋅109/L
Lymphozyten
0.3
1-3.5⋅109/L
Monozyten
0
0.2-0.9⋅109/L
Eosinophile
0
0-0.4⋅109/L
Basophile
0
0-0.1⋅109/L
CRP
181
<8mg/L
TPZ
20
9-12sec
PTT
52
24-33sec
Fibrinogen
2
2-4g/L
D-Dimer
7.5
<0.5mg/L
Die mikroskopische Differenzierung zeigte hypogranuläre Zellen (Abbildung 1). Eine bakterielle Infektion geht normalerweise mit einer toxischen Granulation (Hypergranulation) einher, so dass dieser Befund unerwartet war.
Von links nach rechts: ein neutrophiler Granulozyt mit normaler Granulation, ein Granulozyt mit toxischer Granulation und ganz rechts einer der Granulozyten des Patienten.
Es wurden auch hypogranuläre Promyelozyten gefunden. Eine Reihe dieser Zellen enthält Gruppen von violetten Einschlüssen. Dabei handelt es sich um so genannte "Auer-Stäbchen" oder - wenn sie in Gruppen auftreten - um "Faggots". Die Zellen werden dann als "Faggot-Zellen" bezeichnet. Diese Stäbchen entwickeln sich während einer fehlerhaften Reifung. In der Praxis ist dies typischerweise ein Zeichen für eine akute promyelozytäre Leukämie.
Von links nach rechts: ein normaler Promyelozyt und zwei Promyelozyten, wie sie bei dem Patienten mit deutlich weniger Granulation gefunden wurden. Die Zelle ganz rechts enthält einen bemerkenswerten Befund: "Faggots", eine Gruppe von Auer-Stäbchen, die typischerweise auf eine akute promyelozytäre Leukämie hinweist.
Kurs
Die Notaufnahme wird über die Faggot-Zellen informiert und der Patient wird sofort mit ATRA (Vitamin A) behandelt. Vitamin A fördert die Reifung von Promyelozyten zu neutrophilen Granulozyten. Die Blutkultur zeigt später, dass er auch eine Streptokokken-Sepsis hat, weshalb die Behandlung mit Antibiotika fortgesetzt wurde. Die APL wurde durch Immunphänotypisierung und Molekulardiagnostik bestätigt; die Population ist CD13+,CD33+,CD117+,CD34- und HLA-DR- und positiv für die PML-RAR-alpha-Genmutation (t(15;17) Translokation).
Bei dieser APL handelt es sich trotz der reduzierten Granulation nicht um die klassische "hypogranuläre" Variante, die häufig CD2+ und CD34+ ist und mit hohen Leukozytenzahlen einhergeht.
Nach mehreren Wochen intensiver Behandlung erholte sich der Mann vollständig und konnte nach Hause entlassen werden.
Dieser Fall zeigt, dass Sepsis oder akute (promyelozytäre) Leukämie nicht unbedingt mit hohen Leukozytenzahlen einhergehen. Man muss sich auch der Existenz von Varianten mit reduzierter Granulation bewusst sein, was die morphologische Identifizierung erschweren kann.
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